Trumps Aussagen provozieren – sind sie tatsächlich falsch?
Trump kritisiert Lockdowns in Europa

Kurz vor der Wahl meldet sich US-Präsi­dent Donald Trump nochmals eindrück­lich zurück. Er äusser­te sich unter anderem zu den neuer­li­chen Lockdowns in Europa. Seiner Meinung nach zeigen die explo­die­ren­den Fälle in Europa, dass drako­ni­sche Lockdowns das Virus nicht aufhal­ten können. Als Beispiel nannte er Italien. Trump brüste­te sich weiter mit der gerin­gen Übersterb­lich­keit in den USA, die um 40 Prozent tiefer sei als in Europa. Im Gegen­satz dazu gehe es der USA gut. Leider erhiel­ten sie jedoch keine Anerken­nung dafür.

Kommentar der AirVox-Redaktion

Korrekter Vergleich mit den Sterberaten – 1:0 für Trump!

Wie meistens stimmt beim Twitter-König ein Teil der Aussa­gen, und ein anderer Teil ist zumin­dest nur halbfalsch – so auch im aktuel­len Fall. Er nahm bei seinem Vergleich ganz bewusst Italien als Beispiel für Europa. Ein Land, bei dem so ziemlich alles schief läuft, was im Bereich der Corona-Pande­mie schief laufen kann. So ist Italien einer­seits das «Alten­heim Europas» mit überdurch­schnitt­lich vielen Greisen, die – zumin­dest bis 2019 – jeder Sterbe­sta­tis­tik erfolg­reich ein Schnipp­chen geschla­gen haben. Auch die medizi­ni­sche Basis ist im Vergleich zu einem Gross­teil der anderen europäi­schen Länder noch immer stark im Hinter­tref­fen. Kommt dazu, dass sich die Menschen in südli­chen Regio­nen nicht gerne von ihren Regie­run­gen sagen lassen, was sie zu tun und lassen haben (zahlrei­che Demos gegen die Massnah­men in Italien und Spanien).

Diese unhei­li­ge Allianz an unglück­li­chen Voraus­set­zun­gen hatte in den erwähn­ten Ländern zweifel­los einen grossen Anteil an den hohen Corona-Sterbe­ra­ten. Hier stehen die USA ganz klar besser da. Somit 1:0 für Trump.

«Lockdowns können das Virus nicht aufhalten» – ebenfalls (zumindest teilweise) richtig – 2:0 für Trump!

Diese Aussage ist mit Vorsicht zu genies­sen. Israel zum Beispiel bewies mit dem Lockdown der letzten Wochen, dass es zumin­dest möglich ist, das Virus (vorüber­ge­hend?) einzu­däm­men. Es ist jedoch ebenfalls richtig, dass das Virus damit keines­falls aufge­hal­ten, sondern nur zurück­ge­drängt werden kann. Zudem kosten Lockdowns den Staat Milli­ar­den und die Bevöl­ke­rung ihre Jobs. Eigent­lich hätte man Lehren aus den Erfah­run­gen im Frühling ziehen, und konse­quent auf Lockdowns verzich­ten müssen. Mit der Lernfä­hig­keit der Politi­ker ist das halt aber so eine Sache. Das wissen wir ja nicht erst seit heute…

«Es geht der USA gut – leider erhielten sie jedoch dafür keine Anerkennung» 3:0 Hattrick für Trump noch vor den Wahlen!

Die USA ist ein Land deren Bevöl­ke­rung schon viele Krisen durch­ge­macht hat. Die Menschen dort schaf­fen es, trotz Arbeits­lo­sig­keit zuver­sicht­lich zu bleiben, und sich irgend­wie trotz­dem durch­zu­schla­gen. Zudem lief die Wirtschaft in den USA in den letzten vier Jahren tatsäch­lich sehr rund und die Arbeits­lo­sen­zah­len fielen auf neue Tiefst­stän­de. Die aktuell schwie­ri­ge­re Situa­ti­on dem Präsi­den­ten anzulas­ten zu wollen ist somit klar eine vorsätz­li­che Täuschung. Es scheint überhaupt so zu sein, dass die westli­chen Medien seinen – zugege­be­ner­mas­sen gewohn­heits­be­dürf­ti­gen – Stil, und nicht seine Taten als Mass nehmen für die Beurtei­lung seiner Leistun­gen in den letzten vier Jahren.

Zeit für eine Kurzbilanz über vier Jahre Trump an der Spitze der USA

Ganz realis­tisch betrach­tet muss man, auch wenn man Trump persön­lich nicht mag – so wie der Verfas­ser dieser Zeilen – ehrlich anerken­nen, dass Trump – im Gegen­satz zu den meisten seiner Vorgän­ger – keinen neuen Krieg begon­nen hat. Alleine das ist eine grosse Leistung und offen­bar alles andere als selbst­ver­ständ­lich. Zudem hat er ein wichti­ges Wahlver­spre­chen wahr gemacht, und ein Gross­teil der US-Truppen aus Afgha­ni­stan und Syrien zurück­ge­zo­gen. Dank grossem Verhand­lungs­ge­schick hat er es auch geschafft zwischen den verfein­de­ten Natio­nen Israel und den arabi­schen Emiraten/Bahrain einen Friedens­ver­trag auszu­han­deln. Nicht unerwähnt bleibt die – leider völker­rechts­wid­ri­ge – Attacke gegen Solei­ma­ni, den Komman­deur der irani­schen Revolutionsgarden.

Eher als Flop darf man wohl die Idee und halbher­zi­ge Umset­zung mit der Mauer zu Mexiko bezeich­nen. Der Handels­krieg mit China ist zumin­dest ein gefähr­li­ches Spiel mit dem Feuer. Die Kündi­gung diver­ser Verträ­ge zeich­nen zudem ebenfalls nicht das Bild eines verläss­li­chen Partners.

Unter dem Strich ist Trumps Leistungs­bi­lanz also eher zwiespäl­tig – keines­falls jedoch negativ. Ob das genügt, um die Mehrheit der Ameri­ka­ner nochmals auf seine Seite zu ziehen, ist eher fragwür­dig. Wir rechnen jeden­falls damit, dass wir das nächste Jahr wohl oder übel mit «Sleepy Joe» starten müssen…