Das darf man von den neuen Antigen-Tests erwarten
Die Corona-Schnelltests auf dem Prüfstand

Die umstrittenen PCR-Tests

In unserem Fakten­check zum Corona PCR-Test zeigten wir auf, wie der PCR-Test missbraucht werden kann, um die Fallzah­len praktisch belie­big in die Höhe zu treiben. Wir unter­such­ten auch die Messme­tho­dik im Detail. Trotz der Komple­xi­tät des Themas haben wir versucht, einen einfa­chen nachvoll­zieh­ba­ren Einblick zu gewäh­ren, welches Missbrauchs­po­ten­zi­al der PCR-Test mit sich bringt. Aus diesem Grund hat sich bereits der Erfin­der – der Nobel­preis­trä­ger Kary Mullis – sehr kritisch zum Einsatz des PCR-Verfah­rens im Bereich von diagnos­ti­schen Tests geäus­sert. Doch gibt es überhaupt ernst­haf­te Alter­na­ti­ven zum PCR-Test?

Wie funktionieren die neuen Antigen-Schnelltests?

Im Gegen­satz zu den PCR-Tests weisen die neuen Antigen-Tests (von der Schwei­zer Firma Roche) keine Gense­quen­zen nach, die auf das Corona­vi­rus hindeu­ten. Die Schnell­tests messen statt­des­sen bestimm­te Prote­ine auf der Virus­hül­le. Wie beim PCR-Test wird dazu ein Abstrich aus dem Nasen-Rachen­raum genom­men. Dieser wird mit einer Flüssig­keit getränkt und anschlies­send über einen Papier­strei­fen gezogen. Das Resul­tat wird wie bei einem Schwan­ger­schafts­test bereits nach 15 Minuten mittels Strei­fen auf dem Testge­rät angezeigt.

Wie steht es mit der Zuverlässigkeit der Schnelltests?

Bisher gingen offizi­el­le Stellen davon aus, dass mittels PCR-Methode eine Genau­ig­keit von 98 Prozent erreicht werden kann. Von 100 Tests sind also deren 98 korrekt – zumin­dest in der Theorie. Doch wie genau sind denn die neuen Schnell­tests? Zuerst die gute Meldung: mit den Antigen-Schnell­tests sollte es wesent­lich weniger falsch-positi­ve Resul­ta­te geben. Der Grund liegt darin, dass Menschen, die ledig­lich mit einer minima­len Menge an Corona­vi­ren infiziert sind (geringe Viren­last), vom Test nicht als positiv klassi­fi­ziert werden. Dies ergibt auch absolut Sinn, da für eine ernst­haf­te Infek­ti­on, die schliess­lich zum Ausbruch der Krank­heit führt (Immun­re­ak­ti­on), stets eine genügend grosse Viren­last vorhan­den sein muss.

Und genau hier setzen die neuen Schnell­tests an: Diese klassi­fi­zie­ren – im Gegen­satz zu den PCR-Tests – ledig­lich 85 Prozent der bisher mittels PCR-Tests als «positiv» gemes­se­ne Menschen ebenfalls als «positiv». Bei stark infizier­ten Patien­ten mit grosser Viren­last zeigte der Test im Versuchs­la­bor bei 94 Prozent ein positi­ves Resultat.

Weniger falsch-Positive, aber dafür mehr falsch-Negative

Was auf den ersten Moment wie ein Nachteil aussieht, erweist sich nach genaue­rer Analyse als klarer Vorteil der Schnell­tests gegen­über den PCR-Tests. Ein Schnell­test tendiert also dazu, ledig­lich Patien­ten mit grosser Viren­last auch effek­tiv als «Positi­ve» zu definie­ren. Bei Menschen mit schwa­chen Sympto­men, die eine zu geringe Viren­last haben, neigt der Test dazu, diese als «Negativ» zu klassifizieren.

Durch diese etwas schwä­che­re Test-Sensi­bi­li­tät werden künftig wohl primär nur noch «echte» Patien­ten als «positi­ve Fälle» ausge­wer­tet. Es besteht die Hoffnung, dass dadurch künftig wesent­lich weniger Menschen vom Staat “irrtüm­li­cher­wei­se” in Isola­ti­ons­haft gesteckt werden. Entspre­chend müsste sich das auch positiv auf die aktiven Quaran­tä­ne­fäl­le auswir­ken – also auf Menschen, die sich wegen Kontak­ten zu «positi­ven Fällen» in Quaran­tä­ne begeben müssen. Als Nachteil muss jedoch in Kauf genom­men werden, dass ein negati­ves Testergeb­nis eine Corona-Infek­ti­on nicht vollstän­dig ausschlies­sen kann.

Es ruhen grosse Hoffnungen auf den neuen Corona-Schnelltests

Die Kapazi­tät der bisher einge­setz­ten PCR-Tests lag in der Schweiz bei täglich maximal 30’000 Tests. In den letzten Tagen wurden diese Testka­pa­zi­tä­ten vollends ausge­schöpft. Aufgrund der rasch anstei­gen­den Fallzah­len – die vermut­lich mit einer Mutati­on des Corona-Virus erklär­bar ist – kommen die neuen Schnell­tests natür­lich wie gerufen. Insge­samt sollen täglich zusätz­lich 50’000 solche Tests zur Verfü­gung stehen. Dadurch erreicht man also eine tägli­che maxima­le Testka­pa­zi­tät von gegen 80’000.

Mit der Erhöhung der Covid-19-Tests sind die Resul­ta­te also nicht nur schnel­ler verfüg­bar, sondern die Patien­ten können auch schnel­ler infor­miert und allen­falls rascher isoliert werden.

Einschränkung der Testanwendungen

Vorerst sollen mit dem neuen Schnell­test keine Risiko­grup­pen und ausschliess­lich Perso­nen mit grippa­len Sympto­men getes­tet werden. Alle anderen Gruppen sollen weiter­hin mittels PCR-Verfah­ren auf das Corona-Virus getes­tet werden. Vorläu­fig müssen sich Testwil­li­ge sowieso noch etwas gedul­den. Obwohl die Tests in der Schweiz bereits zugelas­sen sind, können sie vorerst noch nicht einge­setzt werden. Dies liegt daran, dass der Zürcher Apothe­ker­ver­band zuerst noch die Apothe­ker schulen muss, damit diese dann den Test in der Apothe­ke vor Ort durch­füh­ren können. Man kann davon ausge­hen, dass ab 9. Novem­ber 2020 vorerst gegen 50 Apothe­ken in den Kanto­nen Zürich und Schaff­hau­sen die Schnell­tests anbie­ten können.

In den übrigen Kanto­nen wird es noch etwas länger dauern, bis die neuar­ti­gen Tests zum Einsatz kommen, denn die Tests müssen zuerst noch von jedem einzel­nen Kanton bewil­ligt werden. Sobald sie dann jedoch im Einsatz sind, können die Tests unent­gelt­lich durch­ge­führt werden.